Filmkritik: Der seidene Faden
“Der seidene Faden” zeigt eine besondere Liebesgeschichte zwischen dem exzentrischen Schneider Reynolds Woodcock und seiner Muse Alma. Paul Thomas Andersons achter Film geht mit überraschenden sechs Nominierungen in das diesjährige Oscar®-Rennen. Das Melodrama fängt den Zauber der Londoner Nachkriegszeit ein, kann jedoch wiederum mit seinen gefühlskalten Charaktere nicht überzeugen.
Die Handlung von “Der seidene Faden”
London, der 1950er Jahre: Niemand kann Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) in Sachen Mode und Schneiderkunst das Wasser reichen. Unterstützt von seiner Schwester Cyril (Lesley Manville) kleidet er Adlige, Filmstars, Erbinnen, Damen aus der Society und Debütantinnen im London der Nachkriegsjahre ein. Alle reißen sich um die unverwechselbaren Modelle des „House of Woodcock“.
Frauen kommen und gehen im Leben des Modemachers, dienen dem überzeugten Junggesellen als Inspiration und leisten ihm Gesellschaft – bis er Alma kennenlernt. Eine junge, natürliche und unbefangene Frau mit starkem Willen. Bald schon ist sie aus seinem Leben nicht mehr wegzudenken. Als Muse. Als Geliebte. Und sein maßgeschneidertes Leben – kontrolliert und planvoll – beginnt sich an den Säumen aufzulösen…
Mein Fazit
Sechs Oscar®-Nominierungen unter anderem für “Best Performance by an Actor” in “a Leading Role” und “Supporting Role” können doch eigentlich nicht lügen, oder? Auch in Sachen “Original” Score, “Costume Design” und “Directing” spielt “Der seidene Faden” mit. Ja, selbst für “Best Motion Picture of the Year” konnte das Drama eine Nominierung einheimsen. Ob überhaupt und wenn ja, wie viele Preise “Der seidene Faden” davon mit nach Hause nehmen kann, das erfahren wir in der Nacht vom 04. auf den 05. März 2018, wenn in Hollywood wieder die Academy Awards verliehen werden. Bei der Konkurrenz – darunter “Die dunkelste Stunde“, “Get Out“, “The Shape of Water”, “Lady Bird” und “Three Billboards Outside Ebbing, Missouri” – wird es “Der seidene Faden” jedoch ganz schön schwer haben.
(Fast) alles aus einer Hand
Paul Thomas Anderson (“There Will Be Blood”, 2007) hat bei “Der seidene Faden” nur Weniges aus der eigenen Hand gegeben. So übernahm er nicht nur die Arbeit als Regisseur, sondern ist auch für die Kameraarbeit verantwortlich und schrieb das Drehbuch. Dabei brilliert er vor allem bei den künstlerischen Einstellungen, in denen er Szene für Szene festhält. Hinzu kommen faszinierende Settings und detailreiche Kostüme, die den Zuschauer in die Londoner Nachkriegszeit entführen. Auch die Musik von Jonny Greenwood untermalen die nostalgische Stimmung dieser Zeit. Aus diesem Grund sind die Nominierungen in diesen Bereichen sicherlich durchaus berechtigt. Dafür können allerdings weder die Regie noch das Drehbuch hundertprozentig überzeugen.

Ein exzentrischer Künstler & ein trotziges Kind
Die Hauptdarsteller von “Der seidene Faden” und ihre Machtspielchen machen den Reiz des Melodrama aus. Die Romanze zwischen dem Meisterschneider Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) und Alma (Vicky Krieps) beginnt sicherlich nicht aufgrund von gegenseitiger Anziehungskraft, sondern mehr aufgrund einer gegenseitigen Faszination. Während Reynolds in Alma eine neue Muse gefunden hat, ist sie von dem erfolgreichen Künstler angetan. In welcher Situation aus dieser Faszination tatsächlich Liebe wird, wird für den Zuschauer jedoch alles andere als klar. Sowohl der exzentrischen Künstlers als auch die bockige junge Frau sind gezeichnet durch eine unterkühlte Ausstrahlung, mit der das Publikum nie wirklich warm wird. Hinzukommen äußerst merkwürdige Dialoge zwischen den Protagonisten – wie morgens am Küchentisch, an dem Alma zu laut kaut, während sich Reynolds konzentrieren möchte – weshalb man sich ernsthaft fragt, warum die zwei es überhaupt miteinander aushalten. Wäre tatsächlich eine gewisse Anziehungskraft zwischen dem ungleichen Paar zu spüren, könnte man da eventuell drüber hinwegsehen. So zuckt der Zuschauer irgendwann nur noch verwundert mit den Schultern. Was bleibt, sind zwei bösartig gezeichnete Charaktere, wobei immerhin Reynolds Schwester Cyril (Lesley Manville) für etwas Sympathie und Vernunft sorgt.

Wieso, weshalb, warum?
Was es jedoch mit dieser unergründlichen Liaison auf sich hat, gilt es für den Zuschauer herauszufinden. Schließlich gewinnen Reynolds und Alma an immer mehr Facetten, je länger die zwei zusammen sind. Hier finden sich gewisse Parallelen zu “Meine Cousine Rachel” (2017) wider, nur dass dieses Drama mit deutlich charmanteren Figuren arbeitet.

Gefühlskalten Romanze
“Der seidene Faden” soll der letzte Auftritt auf der großen Leinwand von dem dreifachen Oscar®-Gewinner Daniel Day-Lewis (There Will Be Blood”, 2007) gewesen sein. Und trotz seiner erneuten Academy Award-Nominierung, bleibt keine herausragende Performance des kaprizösen Schneiders. Und auch die Performance der in Berlin lebenden Luxemburgerin Vicky Krieps (“Colonia Didnigad – Es gibt kein Zurück”, 2016) wirkt etwas steif. Damit bleibt eine unromantische Romanze, die durch Optik und einer widersprüchlichen Liaison fasziniert. Gleichzeitig sind die Hauptdarsteller jedoch regelrecht abschreckend unsympathisch. Die Distanz zu den Figuren ermöglicht es dem Zuschauer nicht, eine Verbindung zu ihnen aufzubauen, wodurch das Sehvergnügen stark eingeschränkt wird.
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