Filmkritik: Die dunkelste Stunde

Filmkritik: Die dunkelste Stunde

Das Politikdrama “Die dunkelste Stunde” zeigt eine der entscheidendsten historischen Momente unserer Geschichte. Winston Churchill wird zum Premierminister ernannt und kämpft entgegen aller Stimmen für die Freiheit seiner Nation. Ein überragender Gary Oldman und kluge Dialoge sorgen für kurzweilige und lehrreiche Unterhaltung.

4.5 von 5 Popcorntüten

Die Handlung

Mai 1940: Das anfängliche Kriegsglück der Nazis stürzt die britische Regierung in eine existenzielle Krise, Premierminister Chamberlain (Ronald Pickup) tritt zurück. Nur dem reichlich unpopulären Winston Churchill (Gary Oldman) traut man zu, die scheinbar ausweglose Lage in den Griff zu bekommen. Er übernimmt das Amt, sieht sich aber bald von Öffentlichkeit und Regierungsmitgliedern bedrängt, mit den scheinbar unaufhaltsamen Nazis über einen Friedensvertrag zu verhandeln. Doch durch seine außerordentliche Weitsicht und Integrität gelingt es Churchill dennoch, an seiner Überzeugung festzuhalten und für die Freiheit seiner Nation zu kämpfen.

Als die Luftschlacht um England entbrennt und die deutsche Invasion droht, wenden sich das überrumpelte britische Volk, der skeptische König (Ben Mendelsohn) und sogar seine eigene Partei von Churchill ab. Wie soll es ihm in dieser prekären Situation seiner Karriere gelingen, sein Land zu schützen und den Lauf der Weltgeschichte zu ändern?

Die dunkelste Stunde ab 18. Januar im Kino
© 2018 Universal Pictures International. All Rights Reserved.

Trailer zu “Die dunkelste Stunde”

Mein Fazit

Regisseur Joe Wright (“Stolz & Voruteil”, 2005) versteht es die historische Epoche des zweiten Weltkrieges mit Eleganz und Stil wieder auferstehen zu lassen. Er konzentriert sich dabei gänzlich auf die Interaktionen der Figuren, sodass die Geschehnisse von “Die dunkelste Stunde” fast vollständig hinter den Kulissen des Krieges stattfinden. In den Regierungsräumen des britischen Parlaments werden die Strippen gezogen. Die brillant und präzise geschriebenen Dialoge von Drehbuchautor Anthony McCarten (“Die Entdeckung der Unendlichkeit”, 2014) sorgen dafür, dass jeder noch so kleinen Silbe eine ganz genaue Bedeutung zugeordnet werden kann, die ungeahnte Folgen haben kann. Dabei basiert das Drehbuch vor allem auf den Reden, die Churchill zwischen Mai und Juni 1940 schrieb und hielt.

Die dunkelste Stunde
© 2018 Universal Pictures International. All Rights Reserved.

Gary Oldman als Winston Churchill

In dunklen Tagen und noch dunkleren Nächten, als Britannien allein stand, und die meisten Menschen, ausgenommen die Engländer, um Englands Leben bangten, mobilisierte er die englische Sprache und sandte sie in die Schlacht. Die glühende Kraft seiner Worte erleuchtete die Tapferkeit seiner Landsleute.Präsident John F. Kennedy, 1963

Streitsüchtig, impulsiv, maßlos und prinzipientreu – diese Merkmale zeichnen Winston Churchill aus. Churchill ist der Dreh- und Angelpunkt, der Fokus dieses Politikdramas und wird von niemand anderen als Gary Oldman (“The Dark Knight”, 2008; “Killer’s Bodyguard“, 2017) verkörpert. Ihr habt ihn auch nicht direkt wiedererkannt? Bis die Verwandlung in Winston Churchill perfekt war, war es schließlich auch ein langer Weg. Auf der einen Seite galt es Churchills Stimme, seine Art zu sprechen zu treffen. Dazu hörte sich Oldman alte Reden an und begann mit einem Aufnahmegerät zu experimentieren, um sich Churchills Sprache in jeder Nuance, von der Betonung bis zum Akzent anzueignen. Außerdem beschäftigte er sich intensiv mit dem Mann, der es mit einem Tyrannen aufgenommen hat. Auf der anderen Seite musste Oldman Churchill aber auch körperlich entsprechen. Neben seiner Art sich zu bewegen, musste auch sein äußerliches der bekannten Silhouette des ehemaligen Premierministers entsprechen. Dazu gelang es Oldman Kazuhiro Tsuji (“Der seltsame Fall des Benjamin Button”, 2008) zu akquirieren, der sich eigentlich 2012 aus dem Filmbusiness zurückgezogen hatte. Eine sechsmonatige Entwicklungs- und Testphase begann, bis die perfekte Maske für Oldman fertiggestellt wurde. Die rothetische Maske aus Silikon, hatte das Ergebnis einer lebensnahen und hautähnlichen Textur, die jede mimische Bewegung zuließ. Für die glaubwürdige Silhouette entwarf Tsuji einen Schaumstoff-Body-Suit. Beides anzubringen kostete täglich bis zu dreieinhalb Stunden und das Entfernen weitere zwei Stunden. Bei 54 Drehtagen eine große Herausforderung sowohl für Oldman als auch für das Haar-Make-Up-Team. Oldman gehört wahrlich zu den wandelbarsten Schauspielern unserer Zeit und hat mit “Die dunkelste Stunde” bewiesen, dass er auch zu den besten gehört. In meinen Augen hat Oldman daher zurecht erst letzte Woche den Golden Globe als “Bester Hauptdarsteller – Drama” gewonnen.

Die dunkelste Stunde
© 2018 Universal Pictures International. All Rights Reserved.
Letztendlich, war dies der härteste Job, den ich jemals als Schauspieler bewältigen musste. Doch es war auch der befreiendste. Ich konnte es nicht abwarten, zur Arbeit zu gehen und Winston zu sein. Wenn ich morgens ankam, dachte ich: ‘Was für ein Glück, dass ich das hier tun kann.’“Gary Oldman

Mai bis Juni 1940

“Die dunkelste Stunde” hat nicht den Anspruch ein Biopic von Winston Churchill zu sein. Der Film beschränkt sich auf eine kurze Zeitspanne im zweiten Weltkrieg, in der die alliierten Streitmächte sich im Krieg mit Adolf Hitler befanden und mehrere demokratische Staaten bereits gegen die Nazi-Streitkräfte verloren hatten. Churchill wird unverhofft ins Amt des Premierministers gerufen und muss sowohl seine eigene Partei als auch die Opposition von seinem Weg überzeugen. Thematisch geht es bei “Die dunkelste Stunde” daher viel mehr um Zweifel, als um eine Vertrauenskrise. Oldman erklärt, dass Churchill die Personen, zu denen er sprach, verstand und so sicher stellte, dass das Gesagte direkt das Herz der Nation erreicht. Dadurch gelang es ihm, alle auf eine Linie mit seiner Idee zu bringen, standhaft zu bleiben und Hitler zu bekämpfen. Die Folgen, hätte Churchill sich auf einen Pakt eingelassen, sind nicht vorstellbar… Aus diesem Grund beschlossen die Filmemacher Churchill genau zu diesen Zeitpunkt zu porträtieren und den Mann herauszustellen, der unter enormen Druck sich für sein Land einsetzte. Ein Moment, der beim Zuschauer Gänsehaut verursacht.

Die dunkelste Stunde
© 2018 Universal Pictures International. All Rights Reserved.

London, 1940

Willkommen im London des Jahres 1940. Um den Film in die Vergangenheit zu versetzen hat das Dou aus der Produktionsdesignerin Sarah Greenwood und der Bühnenbildnerin Katie Spencer London einen schmutzigeren und heruntergekommeneren Look verpasst. Dazu wurde stumpfes Gelb, verblichenes Blau verwendet sowie zerfranste Sofas und ausgetretene Teppiche ans Set geliefert. Außerdem wurde in Absprache mit Kameramann Bruno Delbonnel Downing Street Nr. 10, der Sitz des Premierministers, farblich abgemildert. Die Innenaufnahmen wurden in einem baufälligen georgianischen Haus in Yorkshire aufgenommen und auch die Schauplätze im Buckingham Palace wurde nachgestellt. Die größte Herausforderung stellte aber vermutlich der Nachbau des Bunkers dar, in dem Churchill und sein Kriegskabinett debattierten und Strategien entwarfen. Gerade die Kommandozentrale wurde – bis auf einige Größenverhältnisse – bis aufs kleinste Detail nachgebaut. Damit kann das Setting definitiv überzeugen. Der Zuschauer hat den Eindruck, dass sich die agierenden Personen tatsächlich im London von 1940 bewegen und sich im Originalbunker zusammenfinden. Die Atmosphäre der Zeit wurde wunderbar eingefangen und damit wieder zum Leben erweckt.

Die dunkelste Stunde
© 2018 Universal Pictures International. All Rights Reserved.

Ein fesselnder Redner

Winston Churchill war wahrlich ein fesselnder Redner und “Die dunkelste Stunde” beweist, dass seine Reden noch heute begeistern können. “Die dunkelste Stunde” fesselt den Zuschauer und zieht ihn völlig in seinen Bann. Oldman spielt einen überragend authentischen Churchill auf jede mögliche Art und Weise. Aus diesem Grund möchte ich auch jeden ans Herz legen, dem es möglich ist, “Die dunkelste Stunde” unbedingt in der Originalversion anzugucken. Es ist wirklich beeindruckend wie sehr Oldman wie Churchill klingt. Wright hat mit einem herausragenden Drehbuch von McCarten ein Historydrama geschaffen, dass trotz einer Länge von 125 Minuten sehr kurzweilig wirkt und trotz dessen, dass relativ wenig passiert, sehr unterhaltsam ist. Die gesteigerte Emotionalität, die Wright zum letzten Drittel einschlägt, sorgt dafür, dass sich der Zuschauer noch mehr auf die Seite des Premierministers schlägt und daher noch mehr hinter seinen Entscheidungen steht – so ähnlich, wie er auch das britische Volk begeistern konnte.

“Die dunkelste Stunde” ab 18. Januar 2018 im Kino.

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