Filmkritik: Glass
Drehbuchautor und Regisseur M. Night Shyamalan führt mit “Glass” seine Trilogie rund um Elijah Price, David Dunn und Kevin Wendell Crumb zu einem überraschenden Ende: Weilen Superhelden tatsächlich unter uns?
Die Handlung von “Glass”
David Dunn (Bruce Willis) verfolgt jeden einzelnen Schritt von Crumbs (James McAvoy) übermenschlichem Wesen – der Bestie. Gleichzeitig scheint aus dem Verborgenen heraus Elijah Price (Samuel L. Jackson) die Fäden des grausamen Spektakels in der Hand zu halten.
Mein Fazit
Regisseur und Drehbuchautor M. Night Shyamalan (“After Earth”, 2013) schließt mit “Glass” eine Trilogie ab, die vor stolzen 19 Jahren mit “Unbreakable – Unzerbrechlich” (2000) seinen Anfang fand. Mit “Split” erschien erst 2016 die lang erwartete Fortsetzung, an die schon kaum einer mehr geglaubt hat. “Glass” setzt nun unmittelbar an die Ereignisse von “Split” an. Das setzt natürlich voraus, dass man mit den Ereignissen und dem besonderen Charakter, die James McAvoy (“X-Men – Apocalypse“, 2106) wieder einmal preisverdächtig zum Leben erweckt, vertraut ist. Aber auch “Unbreakable – Unzerbrechlich” muss für “Glass” unbedingt bekannt sein. Ich habe mir vor dem ersten Schauen nur den Inhalt von Shyamalans Werk aus 2000 durchgelesen – eigentlich ein absolutes Tabu für mich – und konnte daher leider herzlich wenig mit “Glass” anfangen. Denn die Geschichte zu kennen ist eine Sache, die Figuren und ihre Motive zu verstehen, eine ganz andere. Also direkt der wichtigste Fakt vorweg: Ihr müsst Teil eins und zwei zwingend kennen und am besten noch einmal gucken, bevor ihr euch an “Glass” heranwagt.
Charakterentwicklung
“Glass” führt die voneinander unabhängigen – im Sinne von nicht ineinandergreifende – Filme “Unbreakable – Unzerbrechlich” und “Split” zusammen. Damit ist der Thriller Shyamalans erstes und, wie er selbst sagt, wohl einziges “Sequel”. Shyamalan kennt entsprechend seine agierende Charaktere bereits und baut hier auch auf das Vorwissen der Zuschauer – ein weiterer Grund, weshalb man beide Filme unbedingt kennen sollte. Der Regisseur lässt in “Glass” daher nur wenig Platz für Charakterentwicklungen. Die Figuren machen daher keine größeren Sprünge, was dem ganzen ein wenig den Reiz nimmt, vor allem, wenn man den Abschlussfilm mit seinen Vorgängern vergleicht, wo die Entwicklung der Charaktere stark im Vordergrund steht.

Weilen Superhelden unter uns?
“Glass” ist definitiv kein “Avengers”-Movie. Keine CGI-gespickte Action nach der nächsten, keine Aliens, die die Welt bedrohen und auch keine routinierten Superhelden, die ihren Platz in der Welt bereits gefunden haben. Shyamalan stellt in “Glass” die Existenz von Superhelden infrage und schafft damit einen Twist, der sich mehr an der Realität orientiert, als es je ein Superheldenfilm zuvor getan hat. Der Filmemacher setzt dabei auf eine kluge Mischung aus tiefgründigen Dialogen, Actionszenen und dem Hauch des Übernatürlichem. Er schafft es den Zuschauer mit einem geerdeten Ende zu überraschen. Ein Ende, mit dem vielleicht nicht jeder einverstanden sein mag, aber das in meinen Augen die Trilogie absolut sinnig abschließt.

Psychologischer Thriller
Shyamalan geht in “Glass” auf die Psyche der Menschen ein. Mit den neu eingeführten Figuren wie Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) fängt nicht nur der Zuschauer, sondern vor allem die Charaktere selbst daran zu zweifeln an, was überhaupt im Film vor sich geht. Dabei geht dem Regisseur jedoch die Geschwindigkeit hin und wieder etwas verloren. Bedenkt man, dass die erste Schnittversion fast 3,5 Stunden lang war, hat sich hier jedoch sicherlich einiges getan. Dennoch zieht sich vor allem das zweite Drittel des Films ein wenig. Die Analyse der Charaktere hat sich bei den anderen Teilen natürlicher in den Erzählfluss eingebunden, weshalb sich dieser Teil nicht nur optisch durch das Setting stark unterscheidet.

Top oder Flop?
Während “Glass” bei den meisten Kritikern durchgefallen ist, kam er beim Publikum sehr durchwachsen aber auch durchaus positiv an. In einer Zeit voller CGI-Action, ist “Glass” definitiv eine etwas ungewohnte Abwechslung und eben ein völlig anderer Superhelden- bzw. Superschurken-Film. Durch seine Komplexität verliert er leider etwas an Tempo und fordert gleichzeitig die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers. Während “Split” den Zuschauer durch eine Figur fasziniert hat, muss er hier seinen Fokus auf mehrere Personen aufteilen. “Glass” ist damit kein Mainstream-Popcorn-Kino, sondern ein kluger Thriller, der dem Zuschauer ein wenig mehr abverlangt. Mit diesem Bewusstsein unterhält er aber jedoch ebenso gut, wie seine Konkurrenz. Dafür sorgt auch die Schauspielertreue. Denn neben den Hauptdarstellern, sind auch alle anderen Darsteller aus den Vorteilen bei “Glass” erneut dabei. Darunter Spencer Treat Clark (“Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.”, 2015-2018), der 19 Jahre später wieder die Rolle des Joseph Dunn übernommen hat. Das spricht für wahres Commitment und für Leidenschaft an Shyamalans Idee. Darüber hinaus brillieren die Hauptdarsteller McAvoy, Bruce Willis (“Death Wish“, 2018) und Samuel L. Jackson (“Captain Marvel“, 2019) erneut in ihren Rollen mit dem kleinen Extrakick.
“Glass” ab 23. Mai 2019 als VoD, auf DVD, Blu-ray und 4K UHD.
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