Filmkritik: Brittany Runs a Marathon
“Brittany Runs a Marathon” – inspirierend, urkomisch und irgendwie auch ein wenig schräg. In Paul Downs Colaizzos Regiedebüt stellt Jillian Bell ihr ganzes Talent eindrucksvoll unter Beweis.
Die Handlung von “Brittany Runs a Marathon”
Die extrovertierte und immer zu Spaß aufgelegte New Yorkerin Brittany Forgler (Jillian Bell) ist „Everybody’s Darling“ – außer vielleicht sich selbst gegenüber. Die vielen Partynächte, die ständige Unterbeschäftigung und die toxischen Beziehungen der 27-Jährigen fordern ihren Tribut. Von einem Arztbesuch kehrt sie statt mit einem Rezept für das amphetaminhaltige Adderall mit der unerwünschten Empfehlung zurück, gesünder zu leben. Brit fehlt das Geld für ein Fitnessstudio und ist zu stolz, um andere um Hilfe zu bitten. Sie weiß nicht weiter, bis ihre ausgeglichene Nachbarin Catherine (Michaela Watkins) sie davon überzeugt, sich ihre Converse-Turnschuhe zuzuschnüren und einmal um den Block zu rennen. Am nächsten Tag sind es schon zwei und bald hat sie das erste Mal eineinhalb Kilometer zurückgelegt und setzt sich ein scheinbar unerreichbares Ziel: Sie will den New-York-City-Marathon laufen
Mein Fazit
“Brittany Runs a Marathon” ist eine locker, leichte Dramedy, die aber auch seine ernste Momente hat. Dabei verliert der Film niemals seinen Fokus auf Brittany, die Dreh und Angelpunkt der Geschichte ist und bleibt. Der Zuschauer bleibt so ganz nah an ihr und kann sich immer mehr und mehr in sie hineinversetzen. Brittanys Reise zu sich selbst bewegt, inspiriert und ist auch immer wieder urkomisch.
Archetypen
Drehbuchautor und Regisseur Paul Downs Colaizzo hat in seinem Regiedebüt ganz bewusst mit Archetypen US-amerikanischer Komödien zurückgegriffen und diese auf die aktuelle Zeit angepasst. Wir haben die sexy Freundin, die erfolgreich auf Instagram unterwegs ist, den schwulen Vater mit “Beste Freunde-Potenzial” und dann natürlich Brittany, die dickliche Freundin, die sich gerne für andere zum Affen macht. Und obwohl sich gerade dadurch die Geschichte zunächst sehr bekannt anfühlt, gelingt es Colaizzo eine spannende, neue Geschichte zu erzählen, die dann doch nicht jedes Klischee bedient, sondern sich traut ihrer Hauptfigur eine echte Persönlichkeit und Stärke zu verleihen. Eine Heldengeschichte, in der sich die Heldin selbst rettet.

Ein relativ unbekannter Cast
“Brittany Runs a Marathon” setzt auf einen relativ unbekannten Cast, was dem Film sehr guttut und ihm eine gewisse Frische verleiht. Als Brittany hat Jillian Bell ihre erste Hauptrolle in einem Spielfilm ergattert, ist jedoch keine völlig Unbekannt. Bereits in “Girls’ Nights Out” (2017) hat sie an der Seite von Scarlett Johansson einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Unvergesslich für mich auch ihre Rolle in “22 Jump Street” (2014), wo sie Jonah Hill aka Schmidt an der Nase herumgeführt hat. Mit “Brittany Runs a Marathon” stellt sie ihr Talent nun in voller Gänze unter Beweis. Egal, ob komisch, ernst oder emotional. Die Rolle steht und fällt mit Bell, die einen wirklich guten Job macht. Besonders sticht auch Utkarsh Ambudkar als Jern (“Pitch Perfect“, 2012) hervor. Dem US-Amerikaner gelingt es die Wirkung, die er auf Brittany hat, auch auf das Publikum zu übertragen. Essenziell, um das Gefühlsleben der angehenden Marathonläuferin nachvollziehen und um sich in sie hineinversetzen zu können.

Diversity
Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen herrscht in “Brittany Runs a Marathon” übrigens eine sehr ausgewogene Diversität, die natürlich und nicht künstlich erzeugt und Hollywood-aufgezwungen wirkt. Tatsächlich ist mir das erst so wirklich aufgefallen, als ich im Anschluss über den Film nachgedacht habe. Eine wahre Wohltat, die unserer heutigen Gesellschaft würdig ist. Für diese natürliche Heterogenität sorgt sicherlich auch das Setting bzw. der Handlungsort New York City. Eine Stadt voller Kontraste und Vielfalt.

Schuhe schnüren & los geht’s
Colaizzo beschreibt seinen Film als Liebesbrief an seine beste Freundin Brittany O’Neill, die eben eine solche Reise mit Ende 20 durchlebt hat. Obwohl Colaizzo selbstverständlich auf einige filmisch, dramaturgische Elemente gesetzt hat, fühlt sich “Brittany Runs a Marathon” echt an. Wer diesen Film sieht und mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat, sei es, dass es im Job nicht richtig läuft, man etwas zu viele Kilos auf die Waage bringt und einfach sein Privatleben nicht so richtig im Griff hat, der bekommt durch diese Dramedy mindestens einen gedanklichen Anstoß, diese in Angriff zu nehmen. Mit einer Laufzeit von 144 Minuten überzieht der Film jedoch ein wenig sein Limit. Gegen Ende wirkt er etwas unstrukturierte als am Anfang, sodass man gedanklich etwas abschweifen kann. Dennoch ist “Brittany Runs a Marathon” eine wirklich gelungene Geschichte, die mit einem zauberhaften Cast und einer tollen Location wunderschön inszeniert zum Leben erweckt wurde.
“Brittany Runs a Marathon” ab 24. Oktober 2019 im Kino und ab 15. November 2019 auf Prime Video.